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Pressespiegel

Erste Zeitenwende für die Bauerndörfer: Als die Industrialisierung nach Rielasingen und Worblingen kam

Südkurier vom 30.10.2018 von Sandra Bossenmaier

Das undatierte Bild zeigt – vermutlich um das Jahr 1930 herum – Katharina Huber mit ihrem Sohn Karl, Ida Mayer und August Mayer (von links) vor einem der ten Brink-Arbeiterhäuschen in Rielasingen. Bild: privat

Die Digitalisierung ist drauf und dran, das Arbeitsleben vieler Menschen stark zu verändern – auch auf dem Land. Beginnt auch für Landkommunen ein neues Zeitalter? In Rielasingen-Worblingen war das zum letzten Mal vor rund 180 Jahren der Fall: als die Unternehmerfamilie ten Brink die Industriealisierung in die beiden Bauerndörfer brachte.

Der Strukturwandel der beiden Bauerndörfer hatte im Jahr 1834 begonnen, Ferdinand ten Brink gründete eine Baumwollspinnerei in Arlen. Plötzlich gab es Arbeitsplätze in einer Fabrik, bis dahin war so etwas gänzlich unbekannt. Besonders für sozial schwächer Gestellte war diese Möglichkeit des Geldverdienens die Hoffnung, der Armut zu entfliehen.

Soziales Engagement für die Fabrikarbeiter
Mit Sicherheit hatten Ferdinand ten Brink und sein Nachfolger Carl ten Brink, ein Verwandter und der Ehemann seiner Stieftochter, zu jener Zeit hohe finanzielle Gewinne mit der Baumwollspinnerei erzielt. Doch lag ihnen auch stets das Wohl der Fabrikarbeiter am Herzen, sie sorgten sich um deren soziale Verbesserungen. Im 19. Jahrhundert, in einer Zeit, in der die Lebensumstände denkbar schwierig waren, war ein solches Verhalten sehr weit vorausblickend.

Die Erzieherinnen Karen Derber, Martina Pertlwieser, Silvia Boll (Leitung) und Priscilla Como (Auszubildende) vor dem Kinderhaus St. Raphael. Dieses stammt aus der Zeit der ten Brinks und beherbergte früher die Kinderschule St. Raphael. Bild: Bossenmaier

Die Unternehmerfamilie ten Brink betätigte sich vielseitig. Sei es die Schulbildung, hygienische Verbesserungen, gesunde Ernährung, finanzielle Zusatzzahlungen an Familien mit Kindern oder auch Hilfe im Gesundheitswesen – scheinbar immer dann, wenn Hilfe benötigt wurde, kümmerten sich die ten Brinks darum.

Heute ist es für uns selbstverständlich, kranken- oder rentenversichert zu sein, genug zu essen zu haben und medizinisch versorgt zu sein. Doch im 19. Jahrhundert war man von solchen Dingen noch weit entfernt.

Auch heute begegnet man dem Namen ten Brink in der Gemeinde. Beispielsweise wurden die Gemeinschaftsschule und eine Straße nach ihm benannt. Schöne, von ten Brinks erbaute herrschaftliche Villen stehen noch in der Gemeinde, auch das alte Postgebäude an der Hegaustraße ist ihm zu verdanken.

Eine andere Hinterlassenschaft sind die typischen Arbeiterhäuschen in Rielasingen und Arlen. Carl ten Brink ließ kleine Häuser mit Garten bauen, welche Werksangehörige erwerben konnten – zu einem Preis weit unter dem Selbstkostenpreis. Heute sind diese Häuser sehr beliebt, so gut wie alle wurden zwischenzeitlich umgebaut, vergrößert und modernisiert. Und doch kann man den Charakter der kleinen Arbeiter-Eigenheime noch gut erkennen.

1887 erlitt die Familie einen schweren Schicksalsschlag: den Tod des damals 25-jährigen Sohnes und Hoffnungsträgers Henry ten Brink. Seine Eltern setzten ihm ein Denkmal, sie gründeten die Stiftung "Heinrich-Hospital Arlen". Carl ten Brink ließ ein Krankenhaus für alle bauen. Eröffnet wurde es an Neujahr 1889. Im Spital wurden auch hilfsbedürftige Patienten medizinisch versorgt, die keine Möglichkeit hatten, dafür zu bezahlen. Immer wieder wurde viel Geld in das Krankenhaus investiert, bis es schließlich im Jahr 1990 aufgrund zu hoher Kosten geschlossen wurde. Heute befinden sich in dem Gebäude Praxen und Büros.

Das Heinrich-Hospital wurde 1889 als Hospital eröffnet. Auch wenn das Krankenhaus zwischenzeitlich geschlossen wurde, ist die Gesundheit darin noch ein Thema. Unter anderem befinden sich dort verschiedene Praxen.

Das Heinrich-Hospital wurde 1889 als Hospital eröffnet. Auch wenn das Krankenhaus zwischenzeitlich geschlossen wurde, ist die Gesundheit darin noch ein Thema. Unter anderem befinden sich dort verschiedene Praxen.
Nicht nur das Hospital, auch der erste Kindergarten in Rielasingen ist der Famile ten Brink zu verdanken. Im selben Jahr wie auch das Hospital eröffnet wurde, wurde die damalige Kinderschule St. Raphael eingeweiht. Ebenso wie das Heinrich-Hospital war es zu Ehren des verstorbenen Sohnes Henry erbaut worden. Heute ist das Kinderhaus St. Raphael erweitert, in der alten ursprünglichen Kinderschule befinden sich heute Personalräume. Aber nach wie vor verbringen etliche Kinder aus dem Dorf hier ihre Kindergartenzeit.

Die Baumwollspinnerei


Bei der Suche nach einem geeigneten Standort für eine Baumwoll-Spinn- und -Weberei war Firmengründer Johann Hermann Ferdinand ten Brink aus Holland in Süddeutschland unterwegs. Bis er auf die Aachquelle gestoßen war. Damals – im Jahr 1834 – gab es noch nicht viel Industriebetriebe an der Aach, welche die Wasserkraft der Aach nutzten. Ten Brink befand den Standort an der Aach zwischen Rielasingen und Arlen als einen sehr guten für seine Fabrik. Mit dem Bau brachte ten Brink die Industrialisierung in das Dorf. Auch Carl ten Brink wusste schon die herrliche Natur im Hegau zu schätzen. Gerne unternahm er Wanderungen. Er ließ Wanderwege anlegen, besonders Wanderwege am Rosenegg und der Weg von Arlen zum Herrentisch sind ihm zu verdanken. (bos)
Redakteur / Urheber
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Gemeindeverwaltung Rielasingen-Worblingen